Berlin: Cafés, Espresso & Kultur-Crema

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Wednesday 29 January 2014

Das Kaffeehaus 'Grosz' im Haus Cumberland, Berlin

Britta Huegel


Zugegeben: meist gehe ich mit Besuch ins Kaffeehaus Grosz. Wenn man jemanden so richtig mit Hauptstadt-Pracht beeindrucken will, dann ist das die richtige Adresse am Kurfürstendamm 193/194 - zumal in diesem ziemlich weit von der Gedächtniskirche entfernten Teil der Flaniermeile auch viele Nobelmarken residieren.
Das Haus Cumberland - zu Ehren des (gewesenen) Duke of Cumberland, dem 3. Herzog von Cumberland Ernst August von Hannover (1845 - 1923) - wurde vom Regierungsbaumeister Robert Leibnitz konzipiert (der am Bau vieler Kirchen wie z.B. der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, aber auch am Hotel Adlon beteiligt war).
Dass man seinen Besuch beeindrucken kann, haben natürlich auch andere gemerkt - manchmal ist so voll, dass man einen Moment auf einen Platz warten muss.Was sich lohnt: fast 8 Meter hohe Wände, Jugenstilsäulen, echter Marmorfußboden - und eine Menge zu erzählen. Denn dieser Marmorfußboden musste erst einmal unter fünf Schichten Linoleum hervor geholt werden.
Wieso? Nun, das 1911/12 erbaute Haus wurde damals als eine Art nobles Bed&Breakfast vom Feinsten geplant - Appartments mit Hauspersonal hätten zum Übernachten im edlen Boarding-Palast gemietet werden können - wenn - nun ja, wenn nicht der Eigentümer schon vor der Eröffnung in Konkurs gegangen wäre...Nach dem Wumba (schlag nach bei Wiki) wurde es zum Grand Hotel Cumberland mit 700 Betten umgebaut, dann nach dem Ersten Weltkrieg erneut von diversen Behörden genutzt: von der Oberpostdirektion, dem Reichswirtschaftsmuseum und der Finanzverwaltung. Ja - die Oberfinanzdirektion war von 1966 - 2003 drin, kehrte aber den schönen Marmor lieber unter den Teppich  das Linoleum...
Nach aufwändiger Renovierung des denkmalgeschützten Haus Cumberland wurde das Kaffeehaus Grosz im Dezember 2012 eröffnet. Benannt ist es nach dem deutsch-amerikanischen Maler George Grosz (1893 - 1959) - ziemlich verblüffend, (und wahrscheinlich, weil der kleine Platz gegenüber dem 'Grosz' so heißt) - denn dieser Maler und Karrikaturist hat sich noch gnadenloser über die Gesellschaft der Weimarer Republik lustig gemacht als Otto Dix - es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, nun in diesem Prachtbau an ihn zu erinnern.
Apropos Gesellschaft: Das Publikum ist total durchmischt, Sie brauchen sich also nicht extra in Schale zu werfen - obwohl es auch nichts schadet, wenn Sie so hübsch ins Kaffeehaus passen.
Der Kaffee ist ausgezeichnet und nur ein klein bisschen teurer als in den üblichen Coffeeshops, auf die winzigen silbernen Zuckerstreuer wird (sicher mit Grund) sehr geachtet, und wenn Sie mal jemanden verblüffen wollen - so, dass man von den Nebentischen wegen der Servier-Zeremonie fasziniert zu Ihnen rüber starrt - dann bestellen Sie mal heiße Schokolade!
http://grosz-berlin.de/kaffeehaus/


Tuesday 21 January 2014

'Nach einem guten Kaffee verzeiht man sogar den Eltern' (Oscar Wilde, 1854 - 1900)

Britta Huegel

Ich erinnere mich genau an das Gefühl der kühlen Glätte um meine Hand, als sie sich durch den Riss im groben Sackleinen schlängelte, vorsichtig rumrührte und eine der blass-grünen Bohnen nach oben zog - BERÜHREN war VERBOTEN!, absolut verboten im Bremer Übersee-Museum - aber der Riss im prallen Kaffeesack wisperte 'Verführung' - und da denkt das Kind: Was macht schon eine Bohne...
"Ja, wenn das aber alle machen würden!"
Tun sie aber nicht.
Zu Hause habe ich die Kaffeebohne gläubig eingepflanzt, irgendwann wuchs tatsächlich ein kleines Bäumchen mit leicht gewellten dunkelgrünen glänzenden Blättern, stagnierte, wurde langweilig in seinem sturen Grün, denn blühen und rote Kaffeekirschen tragen wollte es nicht. An unseren Abschied kann ich mich nicht erinnern.
Auch nicht an meine erste Tasse Kaffee. Wohl aber an die mit blauen Blümchen übersäten Kaffeetassen meiner Großmutter, oder das hauchfeine Mokka-Service in der Vitrine meiner Eltern. Das steht jetzt bei mir und - Schönheit soll benutzt werden - zumindest das schlanke Milchkännchen wird täglich ins Leben integriert - der winzige Zuckertopf bleibt nach einem Weihnachten der Üppigkeit unberührt. Er schmollt und lauert auf einen Zeitpunkt, der dem des Abschieds vom Kaffeebäumchen ähnelt.
In unserer Familie war meine Schwester die 'Kaffeetante', ich trank englischen Tee, so dick und rot wie ein Ziegelstein, und kippte bis vor sechs Jahren höchstens mal einen Espresso, dessen Bitterkeit ich löffelweise mit Zucker zuschaufelte.
Bremen, meine Heimatstadt, roch nach Kaffee - oder Bier, je nachdem wie der Wind blies.
Beides interessierte mich nicht.
 .
Britta Huegel

Aber jetzt bin ich angefixt, und die Anzahl der Berliner Cafés wetteifert mit der Menge an Bohnen in einem Kaffeesack. Davon wiegt einer übrigens 60 kg, und Brasilien ist mit 48,1 Millionen-Sack à 60 kg der Hauptlieferant der Welt. Die Top 20 im weltweiten Pro-Kopf-Verbrauch (in Kilogramm Rohkaffee) führt 2010/11 Finnland mit 12,1 kg an. Pro-Kopf-Verbrauch bedeutet natürlich: jeder, vom Säugling bis zum Kaffeeverächter, trinkt fast 1400 Tassen jährlich - "bereinigte" Zahlen habe ich nicht... Finnland wird gefolgt von Norwegen (9,8) und Schweden (7,5). Ach so, die Schweizer mit 8,0 habe ich übersehen - aber alle scheinen Kaffee zu trinken, um entweder in der drückenden Dunkelheit und Kälte wenigstens für einen Moment wach zu werden, oder durch einen Kick der lähmenden Verwöhnung durch Luxus und Umsorgtheit für ein Weilchen zu entkommen.
        Die Zahlen stammen aus der schön gestalteten kleinen Ausstellung "Kaffee. Ein globaler Erfolg" im Botanischen Museum in Berlin-Dahlem, die noch bis zum 23.02.2014 zu sehen ist. Für die, die es nicht dahin schaffen, werde ich in den nächsten Posts meine Erkenntnisse weitergeben - natürlich erst nach einer Tasse Kaffee, denn:
Der Kaffee kommt in den Magen, und alles gerät in Bewegung; die Ideen rücken an wie Bataillone der Grand Armée auf einem Schlachtfeld.“ 
Und Honoré de Balzac muss es wissen - er soll bis zu 60 Tassen pro Tag und Nacht getrunken haben.