Berlin: Cafés, Espresso & Kultur-Crema

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Tuesday, 21 January 2014

'Nach einem guten Kaffee verzeiht man sogar den Eltern' (Oscar Wilde, 1854 - 1900)

Britta Huegel

Ich erinnere mich genau an das Gefühl der kühlen Glätte um meine Hand, als sie sich durch den Riss im groben Sackleinen schlängelte, vorsichtig rumrührte und eine der blass-grünen Bohnen nach oben zog - BERÜHREN war VERBOTEN!, absolut verboten im Bremer Übersee-Museum - aber der Riss im prallen Kaffeesack wisperte 'Verführung' - und da denkt das Kind: Was macht schon eine Bohne...
"Ja, wenn das aber alle machen würden!"
Tun sie aber nicht.
Zu Hause habe ich die Kaffeebohne gläubig eingepflanzt, irgendwann wuchs tatsächlich ein kleines Bäumchen mit leicht gewellten dunkelgrünen glänzenden Blättern, stagnierte, wurde langweilig in seinem sturen Grün, denn blühen und rote Kaffeekirschen tragen wollte es nicht. An unseren Abschied kann ich mich nicht erinnern.
Auch nicht an meine erste Tasse Kaffee. Wohl aber an die mit blauen Blümchen übersäten Kaffeetassen meiner Großmutter, oder das hauchfeine Mokka-Service in der Vitrine meiner Eltern. Das steht jetzt bei mir und - Schönheit soll benutzt werden - zumindest das schlanke Milchkännchen wird täglich ins Leben integriert - der winzige Zuckertopf bleibt nach einem Weihnachten der Üppigkeit unberührt. Er schmollt und lauert auf einen Zeitpunkt, der dem des Abschieds vom Kaffeebäumchen ähnelt.
In unserer Familie war meine Schwester die 'Kaffeetante', ich trank englischen Tee, so dick und rot wie ein Ziegelstein, und kippte bis vor sechs Jahren höchstens mal einen Espresso, dessen Bitterkeit ich löffelweise mit Zucker zuschaufelte.
Bremen, meine Heimatstadt, roch nach Kaffee - oder Bier, je nachdem wie der Wind blies.
Beides interessierte mich nicht.
 .
Britta Huegel

Aber jetzt bin ich angefixt, und die Anzahl der Berliner Cafés wetteifert mit der Menge an Bohnen in einem Kaffeesack. Davon wiegt einer übrigens 60 kg, und Brasilien ist mit 48,1 Millionen-Sack à 60 kg der Hauptlieferant der Welt. Die Top 20 im weltweiten Pro-Kopf-Verbrauch (in Kilogramm Rohkaffee) führt 2010/11 Finnland mit 12,1 kg an. Pro-Kopf-Verbrauch bedeutet natürlich: jeder, vom Säugling bis zum Kaffeeverächter, trinkt fast 1400 Tassen jährlich - "bereinigte" Zahlen habe ich nicht... Finnland wird gefolgt von Norwegen (9,8) und Schweden (7,5). Ach so, die Schweizer mit 8,0 habe ich übersehen - aber alle scheinen Kaffee zu trinken, um entweder in der drückenden Dunkelheit und Kälte wenigstens für einen Moment wach zu werden, oder durch einen Kick der lähmenden Verwöhnung durch Luxus und Umsorgtheit für ein Weilchen zu entkommen.
        Die Zahlen stammen aus der schön gestalteten kleinen Ausstellung "Kaffee. Ein globaler Erfolg" im Botanischen Museum in Berlin-Dahlem, die noch bis zum 23.02.2014 zu sehen ist. Für die, die es nicht dahin schaffen, werde ich in den nächsten Posts meine Erkenntnisse weitergeben - natürlich erst nach einer Tasse Kaffee, denn:
Der Kaffee kommt in den Magen, und alles gerät in Bewegung; die Ideen rücken an wie Bataillone der Grand Armée auf einem Schlachtfeld.“ 
Und Honoré de Balzac muss es wissen - er soll bis zu 60 Tassen pro Tag und Nacht getrunken haben. 

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